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Im Fokus // Bröhan Total! – Eine Jubiläumsausstellung

15. November 2021

„Ich hatte bemerkt, dass in der Epoche um 1900 ein kaum bekannter Schatz lag, der nur darauf zu warten schien, gehoben zu werden.“ So beschrieb Karl H. Bröhan (1921­–2000) selbst die Motivation zum Aufbau seiner Sammlung.  Am 6. Juli 2021 wäre der Berliner Mäzen und Museumsgründer 100 Jahre alt geworden. Wir nehmen dies zum Anlass, in einer großen Jubiläumsausstellung den Blick auf die eigene Sammlung, die Persönlichkeit Karl H. Bröhans sowie Vergangenheit und Zukunft des nach ihm benannten Museums zu richten.

Die Geschichte des Bröhan-Museums beginnt 1965 mit dem Umzug des Hamburger Unternehmers nach Berlin, wo die „Offenheit, geistige Anregung, Unkonventionalität und Vielfalt“ der Stadt den Kunstenthusiasten in ihren Bann ziehen. Durch eine Ausstellung im Kunstgewerbemuseum wird er auf die Kunst um 1900 aufmerksam, ein damals noch wenig populäres Sammelgebiet, das sich Bröhan fortan mit großem Einsatz erschließt. In wenigen Jahren entsteht eine eindrucksvolle Sammlung von Design und Kunst von 1890 bis 1940: Möbel und Raumensembles des französischen und belgischen Art Nouveau und Art Déco, Reformmöbel der Münchner und Dresdner Werkstätten, Jugendstilporzellan aus Deutschland, Frankreich und Skandinavien, außerdem Glas, Metallkunst, Teppiche und Beleuchtungskörper, die ein differenziertes Bild der Stilentwicklung um 1900 bis in die 1920er und -30er Jahre vermitteln. Parallel dazu sammelt Bröhan Gemälde und Grafiken der ebenfalls in Vergessenheit geratenen Berliner Secession. Ein 1973 in Dahlem eröffnetes Privatmuseum stellt die wachsende Kollektion erstmals der Öffentlichkeit vor. Zu seinem 60. Geburtstag übereignet Bröhan die Sammlung als Schenkung dem Land Berlin, 1983 wird am heutigen Standort in der Charlottenburger Schloßstraße das Bröhan-Museum eröffnet.

In den vergangenen knapp 40 Jahren ist die Sammlung weiter gewachsen und das einstige Privatmuseum hat sich zu einem Landesmuseum mit jährlich über 80.000 Besucher*innen entwickelt. Die Ausstellung „Bröhan Total!“ zeigt die Sammlung nun auf allen drei Etagen in ihrer ganzen stilistischen und thematischen Vielfalt, sowohl bekannte Highlights als auch selten Gesehenes aus dem Depot. Dabei folgt die Präsentation den Themen der Sammlung: Typische Merkmale der Kunst und Gestaltung um 1900 – wie die Bedeutung der Linie, die Liebe zum Ornament oder das Spannungsfeld von organischen und geometrischen Formen – werden in kuratierten Themenräumen als Schule des Sehens inszeniert. Verdichtende Schaudepot-Bereiche ergänzen die Präsentation und machen die Sammlung Bröhan in ihrem ganzen Reichtum und ihrer beinahe enzyklopädischen Vielfalt erlebbar. Das Konzept des Museumsgründers, der Teile der Sammlung stets in Raumensembles präsentierte, wird in vier eigens gestalteten Musterzimmern wieder aufgegriffen, die den Besucher*innen in der Art von Period Rooms einen Einblick in die luxuriösen Wohnwelten des französischen Art Nouveau und Art Déco, die Einfachheit der deutschen Reformkunst und die Eleganz der internationalen Stahlrohr-Moderne vermitteln. Das dritte Stockwerk ist ganz der umfangreichen und international bedeutenden Kollektion moderner Porzellankunst und damit einem Sammlungsbereich gewidmet, dem Karl H. Bröhan stets besondere Aufmerksamkeit schenkte.

Dass Bröhan durch seine Ausstellungen und die begleitende wissenschaftliche Publikation seiner Bestände zahlreiche andere Sammler inspirierte (und bis heute inspiriert), zeigt die Ausstellung, indem sie Einblick in drei ausgewählte private Kollektionen gewährt, die als „Satellitensammlungen“ unmittelbar von der Sammlung Bröhan angeregt wurden.

Museen, auch das Bröhan-Museum, zeigen in der Regel nur einen Bruchteil ihrer Bestände. „Bröhan Total!“ wird nun erstmals seit geraumer Zeit einen Großteil der Sammlung wieder zugänglich machen und bewusst auch Objekte präsentieren, die seit vielen Jahren im Depot schlummern. Mitunter ist der Blick auf das Sammlungsgut mit der Zeit ein anderer geworden, den Objekten ist ein neues Publikum erwachsen und auch die Funktion und das Selbstverständnis des Museums haben sich in den letzten Jahren gewandelt. So werden in der Ausstellung nicht nur Sammlungsgeschichten erzählt, sondern auch neue Forschungs- und Vermittlungsansätze vorgestellt. Um dem kuratorischen Blick eine künstlerische Position an die Seite zu stellen, wurde die renommierte Berliner Performancekünstlerin Nezaket Ekici (*1970) eingeladen, sich mit der Sammlung auseinanderzusetzen und von dieser inspiriert eine neue Performance zu entwickeln. Nach der Aufführung im Herbst 2021 wird die dabei entstandene Performanceinstallation und -dokumentation ein Teil der Ausstellung.

 „Mich hat es als Sammler und Kunstliebhaber nie gereizt, ausgefahrene, bekannte Wege zu gehen“, schrieb Bröhan 1998. Ziel der Ausstellung ist es daher, die Einzigartigkeit und Originalität seiner Sammlung für ein heutiges Publikum zur Geltung zu bringen – denn die Designepoche zwischen 1890 und 1940 hat uns auch in der Gegenwart noch viel zu sagen: „In fünfzig Jahren hat sich vom Jugendstil bis zum Industriedesign die Ästhetik des 20. Jahrhunderts entwickelt, ist die Formensprache ausgebildet worden, mit der wir heute leben.“ Diese großen Entstehungswege nachzuzeichnen, ihren Verästelungen zu folgen, Sackgassen zu dokumentieren und interessante Nebenstraßen zu beleuchten, war und ist die Stärke der Sammlung Bröhan, eben einfach: Bröhan Total!

Text: Anna Grosskopf

Anlässlich des 100. Geburtstags von Karl H. Bröhan erscheint im Deutschen Kunstverlag eine Publikation zur Sammlung des Bröhan-Museums.

Alle Zitate aus: Karl H. Bröhan: Rückblick. In: Ingeborg Becker / Dieter Högermann (Hrsg.): Zum 25jährigen Bestehen des Bröhan-Museums, Berlin 1998, S. 7-11.