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Schätze aus der Sammlung // Rondella – Funktion im Fokus

17. Mai 2021

Was macht ein seriell hergestelltes Produkt zu einem künstlerischen Objekt, das sich durch bemerkenswert zeitloses Design auszeichnet?

Christian Dell (1893-1974) gestaltete 1928 eine Tisch- und Arbeitsleuchte mit dem prägnanten Namen „Rondella“. Zunächst wurde das Modell in Oberursel im Taunus, ab 1931 in der Leuchtenfabrik Bünte & Remmler in Frankfurt am Main gefertigt.

Ein runder Lampenfuß, darauf ein Arm mit Kugelgelenk, gefertigt aus vernickeltem Messing, ein vorne schräg abgeschnittener Schirm – die „Rondella“ strahlt Konzentration und Eleganz aus. Zurücknehmend in ihrem Äußeren, beeindruckt sie auf den zweiten Blick durch präzise durchdachte Funktion. Heute ist die Leuchte als Designklassiker vor allem unter Sammlern ein begehrtes Liebhaberstück. Sie zeichnet sich durch eine funktionale und moderne Gestaltung aus.


Auch ein Jahr nach dem 100-jährigen Bauhaus-Jubiläum geht die Begeisterung für funktionales Design, für Objekte, die auch das gegenwärtige Verständnis von Modernität und Stilbewusstsein maßgeblich mitbestimmen, nicht zurück. Auch Produkte der Firma Braun, die anlässlich des Firmenjubiläums aktuell im Bröhan-Museum zu sehen sind, zeigen, dass eine auf Funktion bezogene Formensprache auch nach über einem Jahrhundert kaum an Bedeutung verloren hat. Die Auseinandersetzung mit Design ist jedoch nach wie vor auch von subjektiver Wahrnehmung und ethischen Aspekten, wie z.B. Umweltbewusstsein bestimmt.

Christian Dell, gelernter Silberschmied, besuchte 1912 in Weimar die Großherzoglich Sächsische Kunstgewerbeschule Henry van de Veldes. Dieser Einfluss zeigt sich in seiner späteren, dynamisch fließenden Formsprache. Von 1922 bis 1925 lehrte er als Werkmeister in der Metallwerkstatt am Weimarer Bauhaus. Dort gestaltete er gemeinsam mit Schülerinnen und Schülern wie Marianne Brandt und dem Formmeister der Werkstatt, László Moholy-Nagy, moderne Gebrauchsleuchten, die für eine industrielle Produktion entwickelt wurden. Seine sachkundige Kompetenz war zum einen für die handwerkliche und produktive Arbeit der Metallwerkstatt, aber auch für innovative Überlegungen zur Optimierung funktionaler Produkte von großer Bedeutung. Dennoch erscheint er in Publikationen häufig nur als Randfigur neben künstlerischen Werkstattleitern und Formmeistern des Bauhauses.

Ab 1926 leitete er die Metallklasse der Frankfurter Kunstschule, die heutige Städelschule, die sich an der Unterrichtsstruktur des Bauhauses orientierte. In dieser Zeit spielte auch die Zeitschrift „Das neue Frankfurt“ eine bedeutende Rolle bei der Bekanntmachung und erfolgreichen Produktion von Dells Lampenentwürfen in der Frankfurter Industrie.


Die „Rondella“ zählt, neben den Arbeitsleuchten mit der Typenbezeichnung „idell“, die von der Firma Gebrüder Kaiser & Co. in Neheim-Hüsten, in großer Stückzahl produziert wurden, zu Christian Dells bekanntesten Entwürfen aus der Frankfurter Zeit. Er verleiht der „Rondella“ ein Kugelgelenk, das nicht nur eine beliebige Neigung des Schirms ermöglicht, auch der Lampenarm ist so konzipiert, dass er um 360° schwenkbar ist. Diese Funktion zeichnet die Leuchte als exzellente Assistentin für Arbeiten aus, die Präzision und Genauigkeit erfordern und machte sie z.B. bei Architekten und Ingenieuren äußerst beliebt. Dazu tragen besonders die Form und ein paraboloider Metallreflektor im Lampenschirm, als Alleinstellungsmerkmal, bei. Er ermöglicht ein blendfreies Arbeiten, unabhängig von Lichtverhältnissen und Tageszeit. Diese Grundform wurde bei vielen Lampenmodellen der Reihe verwendet und mit Variationen von Form und Materialien an die jeweiligen Anforderungen angepasst.

1933 wurde Dell durch Maßnahmen der nationalsozialistischen Politik schließlich aus seinem Amt an der Frankfurter Kunstschule entlassen. Er blieb jedoch in Deutschland, zog sich nach und nach in eine innere Emigration zurück und baute sich eine neue Existenz mit einem Juweliergeschäft in Wiesbaden auf.

Dieses Objekt aus der Sammlung Bröhan zeigt, dass gelungene Ideen zwar langlebig, ihre Geschichten und deren Rezeption aber häufig überschattet sind von großen Namen. Das Museum schaut genauer hin, um Schätzen aus dem Depot und ihren Geschichten eine Stimme zu geben.

Text: Layla Fetzer