Blog

Zum Tag der Provenienzforschung am 14. April 2021 – Die Geschichte der Sammlung des Bröhan-Museums

14. April 2021

Der Sammler Karl H. Bröhan

Der Gründer des Museums ist der Hamburger Unternehmer Karl H. Bröhan (1921–2000). Vor seinem Umzug nach Berlin mit seiner Familie im Jahr 1965 war er Inhaber einer zahnmedizinischen Großhandlung. Bröhans Erfolgsjahre fielen mit den Aufstiegsjahren der Bundesrepublik nach dem Zweiten Weltkrieg zusammen. Die Grundpfeiler des Sammelns – Kenntnisse und die finanziellen Mittel – hatte Bröhan von Hause aus nicht, sondern er erarbeitete sich alles selbst.

Professor Karl H. Bröhan, Gründer des Bröhan-Museums

Sein Umzug nach Berlin klingt gemäß seiner eigenen Erzählung wie ein radikaler Neuanfang, ein Systemwechsel – er hatte zuvor sein Unternehmen in Hamburg verkauft. Bröhan entdeckte Berlin als eine Stadt, in der »Offenheit, geistige Anregung, Unkonventionalität, künstlerischer Reichtum und Vielfalt« herrschte. Hier begann er zunächst, sich durch seine private Einrichtung mit Gemälden, Möbeln und allen Bereichen des Kunsthandwerks zu beschäftigen. Er stellte schnell fest, dass in der Stadt ein Schatz gehoben werden kann und entwickelte sich zum Experten für verschiedene Richtungen und Gattungen in der Zeit um 1900. In den 1960er Jahren war die Kunst um und nach 1900 – der Jugendstil, die Berliner Secession, Art Deco und Funktionalismus – in Vergessenheit geraten und fand auf dem Kunstmarkt kaum Beachtung. Bröhan reizte es, neue, unbekannte Wege zu gehen. Entdeckerfreude war sein Antrieb, das Aufspüren vergessener oder unterbewerteter Gebiete lösten den für (Kunst-)Sammler typischen Ehrgeiz und Leidenschaft aus.

So entwickelte er sich sukzessive zum Experten der Epoche von 1889 bis 1939. Bereits in den frühen Sechzigern baute Bröhan eine Sammlung von Porzellanen der Königlichen Porzellanmanufaktur Berlin auf, die heute den Grundstock der Porzellansammlung des Landes Berlin im Belvedere des Schlosses Charlottenburg bildet. Dann widmete er sich zunächst dem Jugendstil. Später erweiterte er seine Sammlung mit dem Fokus auf die Kunst der 1920er Jahre. Neben dem Porzellan bedeutender Manufakturen sowie Glas- und Metallarbeiten sammelte er Gemälde, Grafik und Zeichnungen der deutschen und französischen Kunst um 1900. Ein Schwerpunkt wurde die Malerei der Berliner Secession und deren Umfeld. Hier konzentrierte er sich vor allem auf Werke von Karl Hagemeister, Hans Baluschek und Willy Jaeckel, die „großen Drei“, wie er sie nannte.

Bröhan wurde ein leidenschaftlicher Sammler. Hatte er eine Spur aufgenommen, ein Objekt entdeckt, das er seiner Sammlung hinzufügen wollte, zeigte er großen Enthusiasmus und konnte ausgesprochen ausdauernd sein. Das belegt seine Korrespondenz mit Privatpersonen sowie Galerien und Auktionshäusern im In- und Ausland, die im Museum bewahrt wird. Dort kann man zudem nachlesen, dass er immer daran interessiert war, zu erfahren, ob und wie lange sich ein Werk in Familienbesitz oder im Künstlernachlass befunden hatte – für die Erforschung der Herkunftsgeschichte der Werke sind das wichtige Hinweise. Auch mit Fachleuten und Wissenschaftlern tauschte er sich aus, was mit dem Aufbau einer guten Fachbibliothek einherging. Bei der Buchbeschaffung unterstützte er ebenso Forscher aus der DDR, die ohne fremde Hilfe nicht an bestimmte ‚West-Literatur‘ kamen.

Vom Privatmuseum zum Landesmuseum

Im Jahr 1973 eröffnete Bröhan in Dahlem in der ehemaligen Villa des Bankdirektors Ludwig Berliner in der Max-Eyth-Straße ein privates Museum, das öffentlich zugänglich war. Die permanente Ausstellung richtete er als Räume im Sinn des Gesamtkunstwerks ein, die Objekte der angewandten und bildenden Kunst fanden hier zusammen und bereicherten sich gegenseitig. Dazu veranstaltete er auch Sonderausstellungen zu einzelnen Sammlungsbereichen. Anlässlich seines 60. Geburtstages schenkte Bröhan seine Privatsammlung der Stadt Berlin. Zwei Jahre später, am 14. Oktober 1983, bezog die Sammlung den heutigen Standort an der Schlossstraße im ehemaligen Kasernengebäude des Schlosses. Seit 1994 ist es ein Landesmuseum. Er wurde mit der Ehrenprofessur gewürdigt. Bis zu seinem Tod im Jahr 2000 leitete Karl H. Bröhan das Museum und vergrößerte durch vielfältige Neuerwerbungen dessen Bestand. Heute beherbergt das Bröhan-Museum mehr als 20.000 Objekte.

Provenienzforschung

Seit 2016 wird am Haus Provenienzforschung betrieben – zunächst projektbezogen, bis Anfang 2021 eine feste Stelle eingerichtet wurde, die die Sammlungsbetreuung mit der Provenienzforschung verbindet. (Siehe Blog-Eintrag vom 5. März 2021.) Letztere ist vor besondere Herausforderungen gestellt, da es sich bei der Sammlung nicht um ein ursprünglich institutionelles Museum, sondern um eine Sammlung handelt, die auf privatem, bürgerlichem Engagement beruht und dementsprechend nicht über den Verwaltungsapparat und die Archivierungsmöglichkeiten eines Museums in öffentlicher Hand verfügte.

Vor allem aus der Frühzeit des Sammelns sind kaum Kaufbelege, Lieferscheine, Korrespondenzen oder andere Dokumente überliefert, die die Herkunft des jeweiligen Objekts belegen. Den Großteil der Arbeiten erwarb Bröhan aus west- und ostdeutschem Privatbesitz und aus Künstlernachlässen, weiterhin aus dem deutschsprachigen und internationalen Kunsthandel und auf Auktionen. Werke aus Privatbesitz wurden gelegentlich vor Ort ohne Kaufvertrag in bar bezahlt.

Doch glücklicherweise ist neben der Korrespondenz auch das von Hand geführte Erwerbungsbuch des Sammlers überliefert, das er im Mai 1969 begonnen hat und dessen Einträge im November 1973 abbrechen. Es wird nun erstmals im Rahmen der neugeschaffenen Stelle systematisch gesichtet und ausgewertet. Neben den Ankaufseinträgen auf ca. 40 Seiten hat Bröhan im Anhang auch die Verkäufe seiner Bestandskataloge mit Käufernamen notiert, teilweise mit Adressen. Diese Angaben könnten bei der genauen Auswertung helfen, Rückschlüsse über Vorbesitzer der Werke zu ziehen.

Die Erwerbungseinträge haben unterschiedliche Qualität. Viele Einträge enthalten Angaben zum Kaufdatum, Maler/in / Hersteller/in, Titel (oder Kurztitel), gelegentlich Jahr und Technik, Verkäufer (gelegentlich unleserlich) und Kaufpreis, manchmal auch Zollkosten. Manche Einträge enthalten nur den Namen z.B. des Malers. In jedem Fall ist das Erwerbungsbuch für die Provenienzforschung zur NS-Zeit von großer Bedeutung, da kein Werk aus dem Sammlungsbestand derzeit eine geschlossene Provenienzkette aufweist. Es konnte weiterhin festgestellt werden, dass es Käufe aus der DDR gab, die möglicherweise trotz Bröhans Bemühen, Kunst nur legal aus der DDR anzukaufen, nicht rechtmäßig waren, da sie über Ottokar Hermann abgewickelt wurden. Der ehemalige SS-Unterscharführer war Mittelsmann des Staatssekrektärs Alexander Schalck-Golodkowski und des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) der DDR. Hermann trat bei vielen Transaktionen als Strohmann der DDR auf. Er verwaltete Briefkastenfirmen, über die die DDR verdeckt Beteiligungen und Immobilien im Westen erwarb, schmuggelte Embargogüter in die DDR und war an Kunstraub und der illegalen Ausfuhr der Kunstobjekte aus der DDR beteiligt. Ob die durch Herrmann verkauften Werke (allesamt von Karl Hagemeister) in diesem Kontext stehen, wird zu überprüfen sein.

Der Schwerpunkt der Provenienzforschung liegt jedoch auf der Zeit des NS-Regimes. Obwohl Bröhan erst Ende der 1960er Jahren mit dem Aufbau seiner Sammlung begann, könnten die Objekte im NS-Regime (jüdischen) Besitzern verfolgungsbedingt und somit unrechtmäßig entzogen worden sein. Da die Entschädigungsanträge für Opfer des nationalsozialistischen Unrechts durch das Bundesentschädigungsgesetz auf Ende 1969 befristet waren, ruhte das Thema der Wiedergutmachung für viele Jahrzehnte. Es gibt bei den meisten Objekten nur den Hinweis des letzten Verkäufers – also keine geschlossenen Provenienzen.

Jubiläumsausstellung zum 100. Geburtstag des Sammlers

Im Jahr 2021 jährt sich Karl H. Bröhans Geburtstag zum hundertsten Mal. Zu diesem Anlass wird es eine große Sammlungspräsentation geben, die die neueste Forschung mit einbeziehen wird.

Bröhan zitierte in seinem ersten Bestandskatalog von 1973 (zur Malerei der Berliner Secession) den österreichischen Schriftsteller und Kulturphilosophen Egon Fridell (1878–1938) aus dessen „Kulturgeschichte der Neuzeit“ (1925 ff.). Hier zeigt sich neben der Leidenschaft auch das moralische Bewusstsein, mit dem Bröhan sein Lebenswerk errichtet hatte und auf dessen Tradition sich das Haus heute berufen kann:

„Auch wird niemand ernstlich behaupten dürfen, daß die Kunst bloß erquicken soll. Im Gegenteil: sie soll beunruhigen, alarmieren und aufrütteln, sie hat die Mission, das schlechte Gewissen ihres Zeitalters zu sein.“

Text: Sabine Meister