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René Koch im Interview

10. September 2017

Einer der Leihgeber der Ausstellung „Kuss. Von Rodin bis BobDylan“ ist René Koch, der in Berlin ein privates Lippenstiftmuseum betreibt. Dort sammelt er unter anderem Lippenstiftabdrücke prominenter Personen. Der Kuss und der Lippenstift gehören zusammen, bleibt doch vom flüchtigen Kuss oft nur die Spur des Lippenstiftabdrucks. Eine genauere Betrachtung des Lippenstifts ist interessant: An der Lippenstiftmode lässt sich nicht nur viel über Zeitgeschmack ablesen, sondern auch über das Geschlechterverhältnis. Warum wurde in den 1920er Jahren derMund von Frauen kleiner geschminkt und in den 1950er Jahren größer? Wie wurde der Lippenstift vom verruchten Hilfsmittel von Tänzerinnen und Prostituierten zum Pflichtaccessoire jeder feinen Dame? Diese und viele weitere Fragen wirdRené Koch am 14. September ab 18 Uhr im Bröhan-Museum beantworten. Wir haben uns mit ihm vorab zum Interview getroffen.

Bröhan-Museum: Wie fing das an mit Ihrer Kussabdrucksammlung?

René Koch: Der erste Kussabdruck war ein Brief von Hildegard Knef, da fing es eigentlich an. Viele Frauen setzen bei Liebesbriefen einen Kuss auf die Signatur, so war das auch bei Hilde. Sie schrieb mir und am Ende war der Brief mit einem Kuss versehen, wie ein Siegel. Und dann habe ich mir überlegt, warum sollen nicht auch andere Prominente, die mir keine Briefe schreiben, ihren Kuss hinterlassen? Ich dachte mir, ich mache das immer dann, wenn ich sie schminke und lasse sie dazu auf der Karte unterschreiben, wie bei einem Fingerabdruck. Ich war immer dabei und habe das Datum mit aufgeschrieben, wann es war. Manchmal können die sich selber nicht mehr dran erinnern, dass sie in meiner Sammlung sind.

BM: Welcher Lippenabdruck fehlt Ihnen denn noch in Ihrer Sammlung?

RK: Da gibt es noch viele, die ich gerne hätte… Was ich nicht habe, aber vielleicht kriege ich den noch, wäre die Kanzlerin. Sie geht ja zu Udo Walz und dann müsste ich sie mal ansprechen. Aber es ist natürlich auch so… als ich meine Küsse gesammelt habe, war es einfach für mich, weil ich die Prominenten geschminkt habe und danach angesprochen habe, können wir nicht einen Kussabdruck machen. Jetzt einfach so auf die Leute zugehen, das ist dann wie ein Fan. Mir fehlen noch genug Prominente, so ist es nicht. Manchmal denke ich mir, schade, dass ich nicht früher damit angefangen habe.

BM: Wann hatten Sie denn die Idee, eine eigene Lippenstiftsammlung anzulegen?

RK: Das kam daher, dass ich den Volkslippenstift von Hildegard Knef bekommen habe. Knef hat 1952 angefangen, für denVolkslippenstift Werbung zu machen. Als ich sie in den 70ern kennenlernte, war ich bereits Chefvisagist für Yves Saint Laurent. So hat alles angefangen, mit dem Volkslippenstift und der Werbung dafür und dann kam immer mehr dazu. Wir haben angefangen im Internet und auf Flohmärkten zu suchen, Freunde in aller Welt anzuschreiben und so weiter. Inzwischen bekomme ich von Freunden zum Geburtstag und zu Weihnachten nur noch Lippenstifte geschenkt. Es wird immer ergänzt.

BM: Wo sehen Sie die Zukunft des Lippenstifts? Wohin geht der Trend?

RK: Ich glaube, dass der Lippenstift noch variabler wird. Frauen werden nicht nur eine Lippenstiftfarbe zu Hause haben, sondern mehrere. Vielleicht wird auch das Farbspektrum erweitert. Grüne oder schwarze Lippenstifte wären denkbar, der Punk hat das schon lange vorgemacht. Ich denke, dass der Lippenstift für den Mann kommen wird. Fußballer schrecken ja heute vor Nagellack und Haarfarbe nicht zurück. Männer schmücken sich heute wieder mehr, vielleicht wird es dann auch Männer geben, die zum Lippenstift greifen.

BM: Vielen Dank für das Gespräch.

Text: Simon Häuser