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IM FOKUS // Schwedisches Jugendstilporzellan von Alf Wallander

31. August 2017

Die Jugend eines Menschen steht für Veränderung und für Erneuerungen. Dies übertrug man Ende des 19. Jahrhunderts auch auf das anbrechende neue Jahrhundert, das als„jugendlich“ empfunden wurde und als Umbruch und Beginn einer neuen Zeit stand. Die Kunst dieser Zeit, die Reformkunst, drückte ihre Erneuerungsabsichten dann gleich im Namen aus: In Frankreich war es „Art Nouveau“, in Deutschland der Jugendstil und in Finnland und Schweden schlicht „Jugend“.

Ein Künstler, der dies in Kunst umzusetzen versuchte, war Alf Wallander(1862-1914). Seine künstlerische Laufbahn begann der „Allroundkünstler“ mit Pastellmalerei, wandte sich aber unter dem Einfluss von Ellen Keys Reformgedanken und der englischen Arts and Crafts-Bewegung ab 1894 dem Kunsthandwerk zu. Neben Möbeln und Textilien für die in Schweden führende Kunstgewerbe- und Einrichtungsfirma A. B. Svensk Konstslöjdutställning S.Giöbel, fertigte er Porzellanwaren für Rörstrands porslinsfabrik, die auch auf den großen Weltausstellungen, wie beispielsweise 1900 in Paris, ausgestellt wurden.

Rörstrand sorgte mit seinen Kunstporzellanfabrikaten weltweit für Aufmerksamkeit. Berühmt wurde die Fabrik vor allem aufgrund der dunklen Färbung einiger Exponate, dem sogenannten „Rörstrandschwarz“.  Einige von Wallanders Entwürfen finden sich heute auch in der Sammlung des Bröhan-Museums. Die Terrine mit Seepferdchenmotiv, die von Algot Eriksson bemalt wurde, stammt aus einem Entwurf Wallanders von 1900. Zwei vollplastisch ausgeformte Seepferdchen dienen als Griffe, zwei kleinere als Deckelgriff. Ornamental überzieht Blasentang den Gefäßkörper und Kammmuscheln bilden den Fuß. Wie viele Entwürfe Wallanders für Rörstrand konzentriert sich die Farbpalette auf zarte Pastelltöne. Die Meerestiere und –pflanzen der Terrine beispielsweise sind in zarten Rot- und Blautönen gestaltet. 

Seepferdchen waren aber nicht die einzigen Meerestiere, die auf Wallanders Jugendstilporzellan abgebildet wurden. Eine Schale mit Krebsmotiv findet sich ebenso in der Bröhan-Sammlung. Der Entwurf, um 1900 von Wallander gestaltet, sticht mit einem vollplastisch ausgeformten Taschenkrebs hervor und ist inzarten Pastelltönen von Blau, Rot, Braun und Grün unterglasurbemalt. Die weiße Schale selbst erinnert dabei an eine Muschel. Die Wahl fiel nicht ganz zufälligauf den Krebs, denn in Schweden ist das Krebsessen eine Art geheiligtes Ritual des Sommers. Bis vor 100 Jahren herrschte in mittelschwedischen Seen ein reicher Bestand an Krebsen, die in die Luxusrestaurants der großen europäischenMetropolen als „schwarzes Gold“ exportiert wurden. 

Eine prägende Figur des schwedischen Jugendstils ist die Publizistin und Reformpädagogin Ellen Key (1849-1926). Mit ihren Ideen, die sie beispielsweise in ihrer Essaysammlung Skönhet för alla (auf Deutsch Schönheit für alle) 1899 veröffentlichte, forderte sie eine ästhetischere Gestaltung der täglichen Gebrauchsgegenstände und Lebensräume aller Menschen und durch alle gesellschaftlichen Schichten hindurch. Kunst solle nicht mehr unerschwinglicher Luxus, sondern Schönheit im Alltag sein. Der Künstler solle nach einer einfacheren Gestaltung streben, die zweckmäßig orientiert und für die Masse erschwinglichist, aber trotzdem ästhetischen Ansprüchen genügt. In dem Buch Folkbildningsarbetet särskilt med hänsyntill skönhetssinnets odling (Die Volksbildung, unter besonderer Berücksichtigungder Kultivierung des Schönheitssinns) von 1906 fasste sie Künstler und derenArbeiten zusammen, die diese Maxime für sie vorbildlich erfüllten, darunter auch Alf Wallander. Wie viele Kunstobjekte des Jugendstils erreichten auch diePorzellanentwürfe Wallanders mit ihrem exklusiven Dekor aber meist die Massen nicht und wurden von späteren Kritikern daher als „schönere Festtagsgegenstände“ bezeichnet. 

Text: Anita Schedler