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Nezaket Ekici im Interview

3. Juli 2017

In ihrer Installationsperformance „Emotion in Motion“ beküsst die Künstlerin Nezaket Ekici (*1970) in einer viertägigen Tour de Force einen ganzenRaum innerhalb der Ausstellung „Kuss. Von Rodin bis Bob Dylan“. Sämtliche Oberflächen, die Wände, die Möbel und selbst der Fußboden werden mit Lippenstiftabdrücken übersäht, bis ein ornamental anmutendes dreidimensionales Kuss-Bild entsteht. Dabei geht die Künstlerin auch körperlich an ihre Grenzen: Das stundenlange Küssen wird zum Kraftakt und zur Reflexion über das Glück und die Schmerzen der Liebe.

Die Performance findet vom 4. bis zum 6. Juli 2017 während der regulären Öffnungszeiten der Ausstellung statt. Am 6. Juli 2017, dem Internationalen Tag des Kusses, vollendet Nezaket Ekici von 18-20 Uhr ihre Performanceinstallation. Bei dem Abschlussevent mit kühlen Getränken im Museumsgarten können Besucher mit der Künstlerin ins Gespräch kommen. DieAusstellung ist währenddessen geöffnet.

Nezaket Ekici wurde 1970 in Kirsehir/Türkei geboren. Sie studierte Bildhauerei und Performancekunst und ist Meisterschülerin der renommierten Performancekünstlerin Marina Abramović. 2016/2017 war Nezaket Ekici Stipendiatin der Deutschen Akademie Villa Massimo in Rom.

Im Interview erzählt die Künstlerin von ihrer Arbeit. 

Bröhan-Museum: Du hast die Performance schon einige Male aufgeführt. Was waren die Ursprünge von „Emotion in Motion“?

Nezaket Ekici: Das erste Mal habe ich die Performance in München in der Galerie Unartig aufgeführt. Ich habe im Studium bereits erste Versuche zu dem Thema gemacht, die Arbeit hat sich entwickelt. Beispielsweise habe ich zu Beginn die Wand mit Vaseline eingeschmiert und beküsst. Sehr schnell hat der Lippenstift auf der Wand beim Beküssen wieder auf meinen Körper abgefärbt. So, wie ich dem Raum einen Kuss gab, gab mir der Raum den Kuss zurück. Außerdem waren meine Räume zunächst relativ bunt eingerichtet, was ich nach und nach reduziert habe. In weißen Räumen kommen die Küsse besser zur Geltung. Es war immer mein Anspruch, meinen privaten Raum zu schaffen und zu beküssen und den Dingen eine Wertschätzung zugeben.

BM: Du hast die Performance in vollkommen verschiedenen Räumen und Situationen aufgeführt: In Museen, Galerien, auf Festivals. Ist es dir immer gelungen, die Räume für dich zu erobern, oder ist dieser Anspruch auch stellenweise gescheitert?

NE: Manchmal ist es sehr schwer. In Bern habe ich die Performance in einer Eingangshalle der Universität aufgeführt. Dort habe ich versucht, mir meine eigene vier Wände in einem überdimensionierten Raum zu erobern. Trotzdem hat es funktioniert. Mein Agieren und diese tausendfachen Küsse, das wirkt einfach.  

BM: Also entwickelst du jedes Mal eine Beziehung zu dem Raum, den du beküsst?

NE: Ja, ich verbringe ja sehr viel Zeit in den Räumen und manchmal lebe ich sogar darin. Ich mische vorgefundene Gegenstände mit eigenen Objekten. Manche Objekte behalte ich und verwende sie wieder.

BM: Gibt es Gegenstände, die in jeder Performance mit dabei sind?

NE: Nein, obwohl einzelne Gegenstände, meist Bilder, schon öfter dabei waren.

BM: Woher kommt das Mädchenhafte, das deine Räume ausstrahlen?

NE: Ich hatte nie ein eigenes Kinderzimmer. Sogar das Bett habe ich mit meiner Schwester geteilt. Ich komme aus einer Gastarbeiterfamilie mit wenig Geld. Unsere Mutter passte auf uns Kinder auf, wir hatten ein Kinderzimmer, das wir uns zu dritt teilen mussten. Einen eigenen Raum hatte ich erst sehr spät. Vielleicht spielt das tatsächlich eine große Rolle in meinerArbeit, dass ein eigenes Zimmer immer mein Kindheitstraum war. Eigentlich geht es mir aber um die Gegenstände. Was sind das für Objekte? Wie sind sie entstanden, wer hat sie gebaut? Wer steckt dahinter? Uns erscheinen sie so alltäglich, aber die Arbeit, die dahintersteckt, wird nicht gesehen. Diese Menschen schätze ich wert mit meinem Kuss.

Interview: Simon Häuser