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IM FOKUS // Willy Jaeckel

18. Juli 2018

Noch bis zum 16. September 2018 zeigt das Bröhan-Museum Meisterwerke Willy Jaeckels (1888-1944) aus eigenem Bestand. Der Fokus liegt auf Porträts und Blumenstillleben. Hier einige Eindrücke aus der Ausstellung:

Willy Jaeckel ist ein fester Bestandteil der Berliner Kunstszene und des Nachtlebens. In Kneipen und Cafés triffter sich regelmäßig mit befreundeten Künstlerinnen und Künstlern, spielt Billard, kegelt gerne und soll ein außergewöhnlich guter Tänzer sein. Zu seinen Freunden gehören so unterschiedliche Persönlichkeiten wie das Brücke-Mitglied Max Pechstein, der Schriftsteller und Kabarettist Joachim Ringelnatz sowie der Schauspieler und Staatstheaterintendant Heinrich George. Zusammen mit seiner  Frau Charlotte veranstaltet Jaeckel regelmäßige Feste im gemeinsamen Wohnhaus. Zu den beliebten Feiern erscheinen in der Regel über 100 Gäste. 1924, ein Jahr nach Fertigstellung des Gemäldes, trennt sich das Ehepaar. Charlotte geht zunächst nach Wien, um eine Gesangskarriere zu beginnen. 1940 emigriert sie in die USA und lebt ohne finanzielle Sicherheit in New York. Ihren Lebensunterhalt verdient sie mit Astrologie, eine Leidenschaft, die sie zeitlebens freundschaftlich mit ihrem Ex-Mann verbindet, mit dem sie einen regelmäßigen Austausch pflegt.

Spätestens nachdem Jaeckel den Georg-Schlicht-Preis für das „schönste deutsche Frauenporträt 1928“ erhält, gehört er zu den gefragtesten Porträtmalern Berlins. Neben ungeliebten Auftragsarbeiten, die ihn und seine Familie in wirtschaftlich schweren Zeiten über Wasser halten, entstehen Porträts, die weniger einem gängigen Schönheitsideal folgen, als vielmehr der Suche nach ausdrucksstarken Gesichtszügen und Körperhaltungen dienen. Nach Angaben der Vorbesitzerin handelt es sich beider Dargestellten um die Schauspielerin Ruth Albu, nach Meinung des Sohnes des Künstlers Dr. Peter Jaeckel jedoch um die Tänzerin Dorothea Albu. Zu beiden Berufsgruppen hatte Jaeckel in den 1920er- und 30er-Jahren engen Kontakt. Dies bezeugen die vielen Schauspieler- und Tänzerinnenbildnisse des Malers, so unter anderem von von Carola Neher (1927), Eva Sommer (1927), HildeKörber (1922), Paula Wessely (1934), Luise Ullrich (1936), Leni Riefenstahl (1925) oder Tatjana Barbakoff (1925).

Jaeckel porträtiert in den 1920er- und 30er-Jahren zahlreiche Persönlichkeiten der Kultur- und Unterhaltungsbranche Berlins. Heute eher unbekannte Personen geben nicht nur Aufschluss über die künstlerischen Kreise, in denen sich Jaeckel bewegt hat, sondern öffnenden Blick zugleich auf manch filmreife Biografie: Die zwei Jahre ältere und ebenfalls aus Breslau stammende Schauspielerin Resi Langer trug auf zahlreichen Berliner Kabarettbühnen dadaistische und expressionistische Stücke vor. 1926 schließt sie sich dem politisch-satirischen Laienkabarett „Die Wespen“ an, zu dessen linken Kreisen auch Hanns Eisler gehört. Ab 1933 moderiert sie zunächst Modenschauen für den Rundfunk, bis sie Ende der 1930er mit ihrem jüdischen Ehemann aus Deutschland flieht. Ihre Emigration führt sie über Italien, die Philippinen – wo sie eineApotheke betreibt – in die Vereinigten Staaten. In New York arbeitet sie als Zeitungsverkäuferin bevor sie schließlich in ein katholisches Altersheim zieht.Im Alter von 82 Jahren kehrt sie in ihr Heimatland zurück, wo sie 1971 inBerlin stirbt.

Im Verlauf der 1930er-Jahre immt die Anzahl der Blumenstillleben und Porträts im Werk Jaeckels deutlichzu. Viele Maler verlegen sich in dieser Zeit auf solche „unverfänglichen“, weil unpolitischen Motive. Die stilistische Ähnlichkeit zwischen Jaeckels Blumenbildern und seinen Frauenporträts ist unbestreitbar. Auf einem grob bemalten, zumeist undifferenzierten Hintergrund entfalten sich die Motive, die klassischerweise dem ,Schönen‘ zugeordnet werden. Das Spiel mit Kontrasten, ob in Motivik, Technik oder Farbe, ist ein Hauptthema in Jaeckels künstlerischem Schaffen. Als überzeugter Theosoph glaubt er an die Verbundenheit von allem Existierenden durch ein kosmisches Bewusstsein. Durch die Kombination von „Schönem“ und „Hässlichem“, wie sie in den Blumenstillleben und Frauenporträts auftritt, verleiht er seiner religiösen Überzeugung künstlerischen Ausdruck: Die Beherrschung der Gegensätzeals Metapher einer vollkommenen Welt.

„Nicht jede Blüte wird zur Frucht. Als Äußerung des Lebensgefühls ist Kunst im höchsten Sinne Religion. Sie bedeutet nicht eitle Bestätigung, sondern schwere Verantwortung für den Künstler, der seinen Beruf, am großen Gesamtbilde mitzuwirken, ernst nimmt…“ (WillyJaeckel, 1943)

Das Gemälde „Rosen“ stellt eine Eigenheit im Gesamtwerk Jaeckels dar. Das Blumenmotiv wird auf einem außergewöhnlichenHintergrund präsentiert, dessen Farbschichten mit der spitzen Rückseite des Pinsels in wilden Bewegungen malträtiert wurden. Die physische Verletzung der Maloberfläche bedeutet einen radikalen Bruch mit der klassischen Abbildfunktion der Malerei. Gewalt wird hier nicht durch die Inszenierung von Motiven dargestellt, sondern durch die „unkünstlerische“, da brutale Behandlung des Bildträgers unmittelbar vor Augen geführt. Die bewusste Erhebung des Bildmaterials zum Bedeutungsträger nimmt existenzialistische Kunstauffassungen der Nachkriegsavantgarde vorweg.

Nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten beginnen die Versuche, Willy Jaeckel seines Lehramts an der Staatlichen Kunsthochschule Berlins zu entheben. Laut Aussagen eines Schülers verweigerte Jaeckel den Hitlergruß und verließ beim Abspielen des Horst-Wessel-Liedes den Saal. Die Amtsenthebung scheitert zunächst 1933 am Widerstand seiner Studierenden, dann 1938 am persönlichen Einsatz des befreundeten Generals Erhard Milch. Als Jaeckel sich 1935 an einer Münchner Kunstausstellung beteiligt, wird sein Madonnenbildnis durch Adolf Hitler persönlich entfernt.Laut Aussage Peter Jaeckels, dem Sohn des Malers, ließ Hitler das Gemälde mit den Worten „Dies ist keine deutsche Mutter“ beseitigen. Werke Jaeckels wurdenspäter auf mehreren Stationen der Wanderausstellung „Entartete Kunst“ gezeigtund als Symptome des Verfalls verfemt. Im Januar 1944 kehrt Jaeckel nach Berlinzurück, um seine Kündigung an der Hochschule einzureichen. Am 30. Januar wird sein Wohnhaus mit Atelier am Kurfürstendamm 180 von Brand- und Sprengbomben getroffen und Jaeckel mit anderen im Luftschutzkeller verschüttet. Ein tagelanger Brand vernichtet alles, Menschen und Bilder.

Text: Fabian Reifferscheidt / Redaktion: Corinna Kleis