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„Die Arbeitsteilung von Gestalter und Produzent ist aufgehoben.“ Prof. Barbara Schmidt, Kuratorin der Ausstellung „Ceramics and its Dimensions. Shaping the Future“ im Interview

6. Februar 2018

Barbara Schmidt, geboren 1967 in Berlin, studierte Design an der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle und an der University of Art and Design Helsinki. Seit 1991 arbeitet sie für die KAHLA/Thüringen Porzellan GmbH. Ihre Arbeiten wurden mit über 40 Designpreisen ausgezeichnet. Seit 2013 ist Barbara Schmidt Professorin für Experimentelles Design an der Weißensee Kunsthochschule Berlin.Sie kuratierte die Ausstellung „Ceramics and its Dimensions. Shaping the Future“, die noch bis zum 22. April 2018 im Bröhan-Museum zu sehen ist. Wir haben sie zum Gespräch getroffen:

Bröhan-Museum: Was bedeutet es für Sie, eine Keramik-Designerin zu sein?

Barbara Schmidt: Eigentlich bin ichProduktdesignerin, spezialisiert auf keramische Materialien. Ich liebe deren ästhetische Qualitäten und denjenigen ihrer vielfältigen Anwendungsbereiche, mit dem ich normalerweise zu tun habe – das Essen. Wir neigen ja manchmal dazu,das zu vergessen: Nahrungszubereitung und das Essen selbst gehören zu unseren wichtigsten Kulturtechniken.

BM: Was fasziniert Sie am Material Keramik? Worin liegen Ihrer Meinung nach die Vorteile gegenüber Materialien wie z.B. Metall oder Holz?

BS: Keramik, besonders Porzellan, ist wegen der hohen chemischen Stabilität für Lebensmittel besser geeignet als fast alle anderen Materialien. Keramik klingt gut und kann feine, taktil reizvolle Oberflächen haben. Die hohe Zerbrechlichkeit kann dieLebensspanne von Keramikobjekten verkürzen, ansonsten sind sie extrem langehaltbar und altern kaum. Holz ist wegen seiner Lebendigkeit schön und es gibt viele großartige Metalle. Nur Kunststoff würde ich nicht an das heranlassen,was ich esse oder trinke.

BM: Könnten Sie uns kurz Ihren Design-Prozess beschreiben? Was passiert zwischen dem ersten Briefing und dem fertigen Produkt?

BS: Ich lebe mich inThemen ein – oft betreffen sie ja meinen eigenen Erfahrungsbereich, wie die veränderten Ess- und Ernährungsgewohnheiten. Die Formentwicklung beginnt mit kleinen Skizzen in Notizbüchern und geht weiter mit ganz klassischem Modellbau in gebrannter Größe. Bei komplexen Formen oder Oberflächen kann es auch digitale Schritte geben, aber das Arbeiten an Modellen mit den eigenen Händen ist für mich das wichtigste Entwurfswerkzeug. Komplex sind die Zusammenhänge zwischen den einzelnen Objekten einer Serie, die formal verwandt sein müssen, bei manchmal sehr unterschiedlicher Verwendung – zum Beispiel als Tasse oder Teller. Die Art der Verwandtschaft zu definieren, ist spannend. Wenn der Entwurf nach mehreren Änderungsstufen steht, also von einem Team aus Geschäftsführung, Vertrieb undMarketing gut gefunden wird, geht es in die Realisierung der Produktionsmodelle, der sogenannten „Originale“, die die Modellabteilung herstellt. Bis alle Teile einer Serie fertig sind, also so aus dem Brand kommen, wie sie sein sollen, vergeht normalerweise mindestens ein Jahr, manchmal auch mehr.

BM: Wie stehen heute industrielle und handwerkliche Keramik-Produktion zueinander?

BS: Auch in der industriellen Herstellung von „Gebrauchskeramik“ gibt es heute noch sehr viel manuelle Arbeit – sogar in Europa. Früher war das Ziel handwerklicher Produktion Perfektion, die identische Reproduktion von Objekten. Arbeitsspuren wurden eher vermieden. Heute dagegen ist individualisierte Herstellung, also die Produktion von „seriellen Unikaten“ und das Kultivieren von Abweichungen auch ein Thema für die Industrie. Auf diesem Gebiet wird in nächster Zeit sicher noch einiges passieren.

BM: Die Ausstellung„Ceramics and its Dimensions. Shaping the Future“ befasst sich mit der Zukunft des Keramik-Designs. Wo genau sehen Sie dessen Zukunft? Worin liegt in diesem Zusammenhang beispielsweise das Potenzial digitaler Techniken wie dem 3D-Druck?

BS: Obwohl heute, von der Öffentlichkeit wenig bemerkt, ein sehr hoher Anteil keramischer Produkte im technischen Bereich angesiedelt sind, wird das Thema Keramik zum Essen und Trinken nicht an Aktualität verlieren. Die Auseinandersetzung damit ist auch eins der zentralen Themen der Ausstellung. Weitere sind lokale Materialien – die Rückbesinnung auf ihre Nutzung in Zeiten globaler Verfügbarkeit von fast allem zu jeder Zeit – und das Potenzial neuer Technologien, allen voran des keramischen 3D-Drucks. Einen 3D-Drucker für Keramik kann man sich heute für relativ wenig Geld nach open-source-Plänen (die der „Vater“ des keramischen 3D-Drucks Jonathan Keep ins Netz gestellt hat) selbst zusammenbauen. So bekommen Designer Werkzeuge in die Hände, die sie selbst gestalten und mit denen sie Formen und vor allem Oberflächen von nicht gesehener Komplexität herstellen können.Diejenigen, die diese Maschinen kontrollieren, sind Handwerker nicht in dem Sinne, dass sie das keramische Material im Arbeitsprozess berühren, sondern indem sie ihre Werkzeuge beherrschen. Die Arbeitsteilung von Gestalter und Produzent ist aufgehoben. Es sind aber auch spannende Verbindungen zwischen 3D-Druck und industrieller Produktion vorstellbar. Und wirklich aufregend ist, wie die gedruckten Objekte aussehen – da wird sicher auch noch viel Spannendes folgen.

BM: Warum haben Sie sich für das Bröhan-Museum als Spielstätte für diese europaweit wanderndeAusstellung entschieden?

BS: Das Bröhan-Museummit seinem großen Bestand an Keramik aus Jugendstil, Art Deco und Bauhaus/NeuerSachlichkeit, also aus Phasen, in denen sehr experimentell mit Keramik gearbeitet wurde, ist geradezu prädestiniert als Ort für eine Ausstellung, diein die keramische Zukunft blickt. Ich finde es sehr spannend, wie in den letzten Jahren immer wieder aktuelle Themen in Dialog mit den klassischen Sammlungsgebieten des Hauses getreten sind. Ein ganz persönlicher Grund ist, dass es schon immer eins meiner Lieblingsmuseen in Berlin war.

BM: Vielen Dank für dasGespräch!

Text: Corinna Kleis

Foto:Nina Lüth