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IM FOKUS // Landschaft und Farbe bei Walter Leistikow und Karl Hagemeister

1. November 2017

Die Künstler Karl Hagemeister (1843 – 1933) und Walter Leistikow (1865 – 1908) waren in ihrer Malweise ungeheuer fortschrittlich. Vom heutigen Standpunkt aus betrachtet, lassen sich in ihren Bildern bereits Anklänge an viel jüngere Kunstströmungen des 20. Jahrhunderts finden. Vor allem aber zeigten sie Landschaften auf eine Art, wie es noch einige Jahrzehnte früher undenkbar gewesen wäre: Sie malten die Natur, wie sie sie sahen, ohne Überhöhung, ohne sie zu idealisieren und ohne die Zuhilfenahme von mythologischen Staffagefiguren. Dafür verließen sie ihre Ateliers und gingen direkt in die Natur. So wurde plötzlich auch das Unscheinbare, vorher nicht Bildwürdige zu ihrem Motiv.

Während das Frühwerk beider Künstler, dem in derAusstellung ein eigener Raum gewidmet ist, sich noch stark an französischen Vorbildern wie Gustave Courbet orientiert, finden beide zu einem eigenen markanten, wiedererkennbaren Stil. Hagemeister wird in Werder geboren und beginnt zunächst eine klassische Künstlerlaufbahn. Er absolviert eine Ausbildung als Maler, reist durch Europa und verbringt einige Zeit bei seinem Freund Carl Schuch in Paris. Wieder nach Brandenburg zurückgekehrt, bleibt der Erfolg für den zurückgezogen lebenden Maler zunächst aus. Er wird Gründungsmitglied der Berliner Sezession, jedoch findet erst 1912 seine erste große eigene Ausstellung statt. Walter Leistikow wird schon deutlich jünger zu einem der gefragtesten Maler Berlins. Aucher gehört zu den Gründungsmitgliedern der Berliner Secession und ist in ihr eine treibende Kraft. Gut vernetzt und befreundet mit zahlreichen großen Künstlern der Zeit, verkaufen sich seine Bilder gut. Trotz des beruflichen Erfolgs macht Leistikow seine Syphiliserkrankung schwer zu schaffen. 1908 nimmt er sich aufgrund seiner immer schwerer werdenden Krankheitsleiden das Leben.

Hagemeister und Leistikow vereint die Lust am Experimentieren mit der Farbe und das Interesse am Ausprobieren neuer Maltechniken. Leistikow nutzt die Farbe zur Emotionalisierung seiner Bilder. Er zeigt vorallem wiedererkennbare Landschaften aus dem Berliner Umland, wie den Grunewaldsee. Neben der Abbildung einer konkreten Szenerie geht es Leistikowvor allem darum, eine bestimmte Atmosphäre zu transportieren, weshalb diese Bilder oft als Stimmungslandschaften bezeichnet werden. Er zeigt beispielsweise ein Waldstück, eingetaucht in goldeneAbendsonne und lange Schatten werfend, oder einen Sonnenuntergang über demMeer, der den Himmel in einen Teppich aus Gelb und Rot verwandelt. Dafür ist er bereit, den Bildausschnitt so zu wählen und die Farben so zu verändern, dass manche Bilder fast surreal anmuten und schon auf den in Berlin früh beginnenden Expressionismus verweisen.

Hagemeister gebraucht Farbe ganz anders als Leistikow. Viel weniger nutzt er die emotionale Wirkung der Farbe, sondern er gebraucht sie vielmehr als Material. Besonders in seinem Spätwerk trägt er sie in dicken Schichten direkt mit dem Spachtel auf die Leinwand auf. Detailaufnahmen seiner Bilder ähneln daher in ihrer Ästhetik den Bildern des abstrakten Expressionismusder 1950er und 1960er Jahre, bei denen das reine Interesse an Farbe und die Ablehnung der Gegenständlichkeit im Vordergrund standen. So weit, sich von der Gegenständlichkeit zu lösen, geht Hagemeister nicht. Jedoch befreit er dieLandschaft noch viel radikaler als Leistikow von jeder Bedeutungsaufladung, indem er scheinbar triviale Ansichten zum Bildgegenstand macht. Unterholz, Gras und einzelne Bäume zeigt er auf großen Leinwänden, die noch wenige Jahrzehnte vorher Historiengemälden oder Gruppenportraits vorbehalten waren. Hagemeister geht es also darum, wie etwas dargestelltwird, das was ist zweitrangig. Ein solches Abdriften in eine Beinahe-Abstraktion findet sich bei Leistikow nur in seinen Seestücken. Damit erreicht Hagemeister eine künstlerische Freiheit, wie sie auch innerhalb der Berliner Secession einzigartig ist.

Mehr Informationen im Katalog zur Ausstellung. Die Ausstellung “Landschaft zwischen Impressionismus und Expressionismus. Meisterwerke von Hagemeister und Leistikow” ist noch bis zum 28. Januar 2018 im Bröhan-Museum zu sehen. 

Text: Simon Häuser / Tobias Hoffmann