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IM FOKUS // Nordic Design. Die Antwort aufs Bauhaus

21. Oktober 2019

Nach der großenAusstellung “Von Arts and Crafts zum Bauhaus” zu Beginn des Jahres 2019 greift das Bröhan-Museum mit einer zweiten Ausstellung die Bauhaus-Thematik auf. Stand bei der ersten Ausstellung der Wegvon der englischen Arts and Crafts Bewegung hin zum Bauhaus im Fokus, so beschäftigt sich die Ausstellung “NordicDesign. Die Antwort aufs Bauhaus” mit der Reaktion der Nordischen Länderauf das Bauhaus und die deutsche Moderne.

Wie in allen europäischen Ländern beschäftigte man sich auch in Dänemark, Schweden, Norwegenund Finnland mit den Auswirkungen der beginnenden Industrialisierung. Sollten sich die Gestalter für eine Zusammenarbeit mit der Industrie entscheiden oder eher die Kooperation mit dem Handwerk suchen? Und wie umgehen mit der sozialenFrage? Kann Gestaltung einen Beitrag zur Lösung der sozialen Probleme liefernund welche Konzepte müssten dafür entwickelt werden? Der erste Blick zur Beantwortung dieser Fragen richtete sich nach Deutschland, das durch die frühereinsetzende Industrialisierung seit 1900 schon eine Reihe von Antworten gefunden hatte. Das Bauhaus ist dabei nur eines der Projekte der deutschen Moderne, die in den nordischen Ländern diskutiert wurden. Wie die Rezeption der 20er und 30er Jahre zeigt, ist das Bauhaus damals weit von seinem Nimbus als „Leuchtturm“ der Moderne entfernt, wie es heute gerne dargestellt wird. Vielmehr scheint es zumindest in der Wahrnehmung der nordischen Länder von anderen Projekten, der Werkbundausstellung 1927 inStuttgart und dem Neuen Frankfurt mit dem CIAM-Kongress 1929, überstrahlt zu werden, die von vielen Architekten und Gestaltern aus den nordischen Ländernbesucht und in den Fachzeitschriften intensiv besprochen wurden.

Ende der 20er Jahre feiert eine neueGestaltung in allen nordischen Ländern erste Erfolge. In Finnland bekam AlvarAalto 1929 mit dem Lungensanatorium in Paimio seinen ersten bedeutenden Großauftrag. Seine Interpretation von funktionalistischer Gestaltung wird zur Grundlage eines ganz eigenständigen finnischen Wegs der Moderne. Die einzigartigen Lebensbedingungen in Finnland, die Rolle von Licht und Farbezwischen Mittsommer- und Polarnächten, aber auch die Schroffheit der Natur in Lappland fließen in die Gestaltung mit ein und führen zu einzigartigen ästhetischen Ergebnissen. Nach dem Zweiten Weltkrieg drängt eine junge Generation von finnischen Gestaltern dann auch auf den internationalen Markt. Tapio Wirkkala liefert Entwürfe sowohl für die Glasmanufakturen in Murano wie für die deutsche Firma Rosenthal und Aalto baut in Deutschland u.a. im Hansaviertel in Berlin.

In Schweden bildet die große Ausstellung Stockholm 1930 den Auftakt für die schwedische Interpretation des Funktionalismus. Sie orientiert sich konzeptuell an der Werkbundausstellung inStuttgart 1927 und am CIAM Kongress in Frankfurt 1929. Der Weg der schwedischen Gestaltung wird im Anschluss an die Ausstellung zwischen Funktionalisten und Traditionalisten heftig diskutiert. Bei aller Bewunderung wird eine direkte Übernahme der deutschen Konzepte abgelehnt, wobei der aus Österreich emigrierte Architekt Josef Frank eine wichtige Rolle spielt. Auch Schweden verschmilzt die deutschen Konzepte mit lokalen Traditionen, wie den schon um die Jahrhundertwende formulierten Wohn- und Lebenstheorien von Ellen Key. „Schönheit für alle“ wird zum Credo des schwedischen Designs, das im Gleichklang mit dem schwedischen Wohlfahrtsstaat gute Gestaltung für alle Bevölkerungsschichten erreichen möchte. Geschickt beansprucht IKEA ab den 60erJahren dieses Erbe für seine Unternehmensstrategie und macht die schwedischen Konzepte dadurch gleichzeitig zum Exportschlager in der ganzen Welt.

Der unmittelbare Nachbar Dänemark lehnt den deutschen Weg der Moderne hingegen kategorisch ab. Statt auf industrielle Fertigung setzen die dänischen Gestalter aufs Handwerk. Der vom Bauhausmeister Marcel Breuer mitgeprägte Wohnstil mit verchromten Stahlrohrmöbeln wird als zukalt und zu technoid angesehen, die Formensprache als formalistisch und unpraktisch verdammt. Kaare Klint, der Vater des dänischen Designs, stellt im Gegensatz dazu den Menschen und seine Anatomie in den Mittelpunkt der Gestaltung. Ein Möbel muss den Proportionen des Körpers angepasst sein.Bequemlichkeit des Möbels wird als Grundlage der Gestaltung propagiert. Der warme Holzton, die weichen an die Natur angepassten Formen, der Lederbezug und die warmen Farben der Stoffe fördern das Wohlbehagen und bringen Design und Hygge einander näher. In den 50er und 60er Jahren feiert das dänische Design einen weltweiten Siegeszug und wird zum Inbegriff der skandinavischen Gestaltung.

Die Reaktionen in den nordischen Ländern auf die Entwicklungen in Deutschland sind nicht nur eine Antwort auf das Bauhaus,sondern vielmehr eine Antwort auf die beiden Strömungen der deutschen Moderne: Man setzte sich sowohl mit der avantgardistisch-künstlerischen als auch mit der funktionalistischen, sozial engagierten Moderne in Deutschland auseinander. Beide Aspekte wurden zu Impulsgebern für die Gestaltung in den nordischenLändern und dienten dabei gleichermaßen als positive wie negative Vorbilder.

In den Nordischen Ländern entstand eine sehr eigenständige Interpretation von Funktionalismus. Nicht die avantgardistische Form stand wie vielfach in Deutschland im Vordergrund, sondern die maßgeschneiderte Lösung für eine Aufgabe. Zunächst sollte die Problemstellung analysiert und erst dann die gestalterische Lösung erarbeitet werden. Die Möbelentwürfe des Norwegischen Designers Peter Opsvik sind dafür das treffendste Beispiel. Sein mitwachsender Kinderstuhl Tripp Trapp hat die Welterobert und dürfte einer der meist produziertesten Designentwürfe weltweit sein. Der skandinavische Funktionalismus blieb deshalb nicht Avantgarde,sondern wurde versehen mit nationalen Besonderheiten der jeweiligen Länder zur identitätsstiftenden Konstante der Nordischen Nationen.

Text: Tobias Hoffmann